Ich bete wieder, du Erlauchter
Ich bete wieder, du Erlauchter,
du hörst mich wieder durch den Wind,
weil meine Tiefen nie gebrauchter
rauschender Worte mächtig sind.
Ich war zerstreut; an Widersacher
in Stücken war verteilt mein Ich.
O Gott, mich lachten alle Lacher,
und alle Trinker tranken mich.
In Höfen hab ich mich gesammelt
aus Abfall und aus altem Glas,
mit halbem Mund dich angestammelt,
dich, ewiger aus Ebenmaß.
Wie hob ich meine halben Hände
zu dir in namenlosem Flehn,
dass ich die Augen wiederfände,
mit denen ich dich angesehn.
Ich war ein Haus nach einem Brand,
darin nur Mörder manchmal schlafen,
eh ihre hungerigen Strafen
sie weiterjagen in das Land;
ich war wie eine Stadt am Meer,
wenn eine Seuche sie bedrängte,
die sich wie eine Leiche schwer
den Kindern in die Hände hängte.
Ich war mir fremd wie irgendwer
und wusste nur von ihm, dass er
einst meine junge Mutter kränkte,
als sie mich trug,
und dass ihr Herz, das eingeengte,
sehr schmerzhaft an mein Keimen schlug.
Jetzt bin ich wieder aufgebaut
aus allen Stücken meiner Schande
und sehne mich nach einem Bande,
nach einem einigen Verstande,
der mich wie ein Ding überschaut, –
nach deines Herzens großen Händen –
(o kämen sie doch auf mich zu)
ich zähle mich, mein Gott, und du,
du hast das Recht, mich zu verschwenden.
I am praying again, Awesome One
You hear me again, as words
from the depths of me
rush toward you in the wind.
I’ve been scattered in pieces,
torn by conflict,
mocked by laughter,
washed down in drink.
In alleyway I sweep myself up
out of garbage and broken glass.
With my half-mouth I stammer you,
who are eternal in your symmetry.
I lift to you my half-hands
in wordless beseeching, that I may find again
the eyes with which I once beheld you.
I am a house gutted by fire
where only the guilty sometimes sleep
before the punishment that devours them
hounds them out into the open.
I am a city by the sea
sinking into a toxic tide
I am strange to myself, as though someone unknown
had poisoned my mother as she carried me.
It’s here in all the pieces of my shame
that now I find myself gain.
I yearn to belong to something, to be contained
in an all-embracing mind that sees me
as a single thing.
I yearn to be held
in the great hands of your heart–
oh let them take me now.
Into them I place these fragments, my life,
and you, God — spend them however you want.
– Rainer Maria Rilke
(English version by Anita Barrows and Joanna Macy)